Ein natürliches Lehrbuch vor Augen
UNESCO-Welterbe Tektonikarena Sardona
Die Tektonikarena Sardona, im Grenzgebiet der Kantone Glarus, Graubünden und St. Gallen gelegen, ist ein UNESCOWeltnaturerbe. In dieser Gegend sind alle wichtigen Phänomene der alpinen Gebirgsbildung weltweit einzigartig schön sichtbar und gut zugänglich. Auch der Abtrag eines Gebirges kann auf vielfältige Art und Weise beobachtet werden. Die Auszeichnung als Welterbestätte ist nicht nur Ehre, sondern auch Verpflichtung.
Das kleine, aber schlagkräftige Team der Geschäftsstelle der Interessengemeinschaft (IG) Tektonikarena Sardona ist mit ihrem Leiter Harry Keel verantwortlich für die Umsetzung des Leistungsauftrags, den sie vom Bund und den drei Kantonen erhalten haben.
Die Tektonikarena Sardona ist ein Weltnaturerbe. Was zeichnet ein Weltnaturerbe aus?
Harry Keel: Die Auszeichnung erhält man für einen weltweit einzigartigen Wert, für das beste Beispiel eines bestimmten Aspekts. Bei uns ist es die einzigartige Sichtbarkeit von Naturphänomenen der Gebirgsbildung. Dabei steht die Glarner Hauptüberschiebung im Zentrum. Aber auch die faszinierende Forschungsgeschichte ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, wie wissenschaftliche Forschung funktioniert, wie Theorien aufgestellt werden, wie gestritten wird, wie Theorien wieder verworfen und durch andere ersetzt werden. Dank dieser Forschung kam man der Gebirgsbildung auf die Spur. Die Plattentektoniktheorie ist erst seit 1920 anerkannt und erst seit 1960 in den Schulbüchern verankert. Aber, die Forschung ist nicht abgeschlossen. Wir stecken mittendrin in einer Forschungsgeschichte, die weiter geht.
Tu Gutes und sprich darüber, heisst es im Volksmund. Einfach so erhält man die hohe Auszeichnung wohl nicht? Was musste unternommen werden, damit die Tektonikarena Sardona im Juli 2008 von der UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen wurde?
Harry Keel: In der Tat ist es das Resultat eines unermüdlichen Einsatzes. Ein langer Weg führte schlussendlich zum Ziel. Haupttreiber waren sicher die zahlreichen Geologen, die in der Gegend tätig waren. Das Welterbekomitee der UNESCO, das im Auftrag der UNO das Welterbeprogramm führt, entscheidet schlussendlich über eine Aufnahme in die Liste. In einem ersten Schritt aber evaluiert der Bund mögliche Projekte. Die Tektonikarena erhielt in einer Vergleichsstudie durch Experten den Status einer weltweit einzigartigen Region, in der die Gebirgsbildung umfassend, gut sichtbar und gut zugänglich zu Tage tritt. Somit waren Tür und Tor für die Auszeichnung als Weltnaturerbe geöffnet. Ausserschulischer Lernort Die Tektonikarena Sardona bietet sich als hervorragender Lernort für Schulklassen an. Es gibt diverse Geowanderwege, Schaubergwerke, Forschungsstätten, aber auch die Besucherzentren in Glarus und Elm. GeoGuides organisieren spannende Exkursionen und begeistern die Teilnehmer mit ihrem Auge für die Natur, ihrem Wissen zu Geologie, Natur und Kultur. Weitere Infos: www.unesco-sardona.ch
Mit der Aufnahme in die UNESO-Welterbeliste hat aber wahrscheinlich die Arbeit erst recht begonnen?
Harry Keel: Die Auszeichnung verpflichtet: Es geht darum, die Werte zu schützen und für die Nachwelt zu erhalten. Wir müssen die Bereiche Bildung und Sensibilisierung vorantreiben, die Forschung und das Monitoring fördern, Öffentlichkeitsarbeit betreiben, damit das Erbe bekannt wird.
Dazu braucht es eine entsprechende Organisation und Finanzen!
Harry Keel: Das Ganze ist ein Zusammenspiel von UNESCO, Bund, den Kantonen St. Gallen, Glarus und Graubünden und den beteiligten Gemeinden. Die Führung folgt dem Bottom-up-Prinzip. Die Gemeinden führen das Projekt aus. Sie haben sich dazu zur IG Tektonikarena Sardona zusammengeschlossen. Der Bund und die Kantone erteilen einen Leistungsauftrag und sind für die Finanzierung verantwortlich. Die Leistungen werden jeweils für vier Jahre definiert. Das Tagesgeschäft wird durch eine Geschäftsstelle erledigt.
Wie setzt sich die Geschäftsstelle zusammen?
Harry Keel: Seit 2009 bin ich der Geschäftsführer der IG Tektonikarena Sardona. Ein Hauptteil meiner Tätigkeit besteht in der Koordination. Aber natürlich bin ich auch verantwortlich für die konkrete Umsetzung der Ziele, die im Leistungsauftrag formuliert werden. Rosi Böni betreut vor allem den Bildungsbereich, die Kommunikation und das Monitoring. Der Geologe Thomas Buckingham ist das fachliche Gewissen. Uns steht auch ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite.
Welche Aktivitäten wurden von der Geschäftsstelle ausgelöst?
Harry Keel: In den ersten Jahren stand die Bekanntmachung der Tektonikarena im Vordergrund. Es braucht eine jahrelange PR-Arbeit, damit man die Region mit ihrem Naturerbe in der Schweiz wahrnimmt. In einem weiteren Schritt ging es darum, die einzelnen Phänomene des Weltnaturerbes sichtbar zu machen. Es mussten Tafeln, Beschilderungen, Wegweiser usw. angebracht werden. Nun soll das Naturerbe verständlich gemacht werden. Deshalb haben wir im Hinblick auf den Lehrplan 21 das neue Lehrmittel «Berge erzählen Geschichten» in Zusammenarbeit mit dem INGOLDVerlag geschaffen. Weiter entstand ein Bildband über die Arena.
Die Tektonikarena Sardona
Im Mittelpunkt der Tektonikarena steht der 3056 m hohe Piz Sardona. Rundherum erstreckt sich über 330 km2 die Arena des Weltnaturerbes, das von den Gemeinden Glarus Nord, Glarus Mitte, Glarus Süd, Laax (GR), Flims (GR), Trin (GR), Tamins (GR), Pfäfers (SG), Vilters- Wangs (SG), Mels (SG)und Quarten (SG) getragen wird. Ein Kernstück der Arena bildet die «magische Linie», die Glarner Hauptüberschiebung. Entlang dieser Linie haben sich 250 bis 300 Millionen alte Gesteine über junge Gesteine mit einem Alter von 35 bis 50 Millionen Jahren geschoben. Die «magische Linie» selbst ist eigentlich eine Fläche, und das «Schmiermittel » der Überschiebung ist nur knapp 50 cm mächtig. Dieses Phänomen hat seit über 200 Jahren die Forscher angezogen. Hier entwickelten sie die Theorien, mit denen man sich heute die Gebirgsbildung erklärt.
Weltnaturerbe und Weltkulturerbe
209 UNESCO-Weltnaturerbe – und 845 Weltkulturerbestätten gibt es weltweit (Stand 2018). Die Schweiz verzeichnet drei Weltnatur- und neun Weltkulturerbestätten. Weltnaturerbe sind der Monte San Giorgio, die Schweizer Alpen Jungfrau- Aletsch und die Tektonikarena Sardona. Beispiele für Weltkulturerbestätte sind die Altstadt von Bern, der Stiftsbezirk St. Gallen, die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen oder die Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina.
Ausserschulischer Lernort
Die Tektonikarena Sardona bietet sich als hervorragender Lernort für Schulklassen an. Es gibt diverse Geowanderwege, Schaubergwerke, Forschungsstätten, aber auch die Besucherzentren in Glarus und Elm. GeoGuides organisieren spannende Exkursionen und begeistern die Teilnehmer mit ihrem Auge für die Natur, ihrem Wissen zu Geologie, Natur und Kultur. Weitere Infos: www.unesco-sardona.ch